Letzter Beitrag

Interview mit Neale Donald Walsch anlässlich seine Seminars in Zürich 2014

 

Gibt es einen Unterschied zwischen Frauen und Männern hinsichtlich ihrer Spiritualität?

Nein.

 

Das heisst also, dass Frauen nicht empfänglicher sind für Spiritualität?

Nein. Die Kultur – die allgemeine menschliche Kultur – hat sich so entwickelt, dass es für Frauen möglich wurde, ihre Spiritualität offener auszudrücken. Nicht weil sie spiritueller wären, sondern weil die Kultur sagt, es sei ok so.

Es verhält sich analog zur Stärke: Die Kultur besagt, es sei in Ordnung, dass Männer Stärke zeigen. Das heisst aber nicht, dass Frauen keine Stärke besitzen, sondern diese Stärke zu zeigen gegen unsere Kultur ist. So wäre es für Angela Merkel – eine starke deutsche Frau – schwierig gewesen, in gewissen Ländern gewählt zu werden. Weil sie eben eine sehr starke Frau ist. Wir sind daran nicht gewöhnt!

Aus demselben Grund denken wir, dass Männer nicht spirituell sein sollten, weil es nicht männlich ist.

 

Gibt es Ihrer Meinung nach aktuell für die Frauen etwas wie eine Hauptaufgabe?

Ja. Ich glaube erstens die Chance – nicht die Aufgabe für die Frauen liegt darin, den Männern zu helfen sich gegenüber der Spiritualität zu öffnen, die schon existiert. So dass sie wissen, dass sie sich der eigenen Spiritualität gegenüber öffnen können, ohne deswegen geringgeschätzt zu werden oder als nicht männlich genug angesehen werden.

Das bedeutet auch, dass sie sich ihren eigenen Gefühlen gegenüber öffnen. Nicht nur gegenüber ihrer Spiritualiät, sondern auch ihren Gefühlen von Traurigkeit. Sie sollen wissen, dass es für einen Mann auch in Ordnung ist zu weinen, traurig zu sein und auch dass ein Mann Angst haben darf. Männer müssen immer ihre Stärke zeigen und nichts fürchten. Sie müssen sich beinahe im Schrank  oder sonst wo verstecken, wenn sie mal weinen möchten oder ängstlich sind. Also die Chance für Frauen besteht darin, den Männern beizustehen ein Ganzes zu werden und sich vollständig zu entfalten.

Aber die gleiche Möglichkeit besteht auch für die  für Männer. Die Chance für Männer besteht darin, Frauen darin zu unterstützen, sich zu ihrer Stärke zu entwickeln und zu ihrer Kraft. Und deshalb wird ein Mann, der eine Frau liebt sie zu ihrer Kraft zurückführen, und eine Frau, die einen Mann liebt, ihn zu seinen Gefühlen.

 

Welches Ihrer Bücher würden Sie jemandem empfehlen, der noch keines von Ihnen gelesen hat?

“Die Essenz”, ein Buch das bald erscheinen wird. Weil es alles umfasst und es in einem Buch ausdrückt. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht mögen, schmeissen Sie es weg und sind fertig damit. Aber wenn Sie dieses Buch lesen und es mögen, greifen Sie zum nächsten und lesen weiter. Das Buch kann als ultimativee Einführung in die Materie der anderen neun Bücher verstanden werden. Nach der Lektüre versteht man entweder was ich sagen möchte oder nicht.

 

Wie kann jeder einzelne mit der heutigen globalen Situation, die wir antreffen, umgehen?

Auf der individuellen Ebene können wir uns bemühen, das Beste in uns zu finden und dieses dann auch jeden Tag in jedem Moment zu leben.

Auf einer globalen Ebene können wir versuchen und mithelfen bei einer evolutionären Revolution. Indem wir Menschen überall auf der Welt in kleinen Gruppen zusammenbringen, um eine Veränderung in der kulturellen Geschichte der Menschheit zu diskutieren, zu entdecken und auch in Gang zu bringen.

Auf globaler Ebene – in unseren Gemeinden – können wir nein zu dem sagen, was geschieht. Wir können uns in kleinen Gruppen von drei, vier, fünf, sechs Personen zusammenfinden – es müssen keine grossen Säle voller Leute sein – also kleine Gruppen von fünf, sechs, sieben Personen, die zusammen für die Menschheit neue Ideen entwickeln, was es heisst Mensch zu sein und spannende neue Wege um voranzukommen.

Es gibt viele Wege, wie Kleingruppen dies bewerkstelligen können – z.B. Briefe an ihre Volksvertreter schreiben, Leserbriefe an Zeitschriften und Zeitungen verfassen und vieles mehr – um das breite Publikum auf eine neue Vorstellung von Menschlichkeit aufmerksam zu machen. So gibt es wirklich vieles, was Menschen tun können.

Aber bevor man anderen sagt, wie sich die Welt verändern sollte, muss man bereit sein, sich selber zu ändern. So muss man in jedem einzelnen Augenblick auf sein eigenes Handeln und Tun achten: Keine Ausreden mehr!

Ich habe früher auch Entschuldigungen für mich gefunden: „Nun, ich hatte einen harten Tag, ich bin viel herumgereist, ich bin sehr, sehr müde oder einfach ich bin alt oder auch ich bin ein Mann. Ich habe alle möglichen Entschuldigungen für mich gefunden. Aber die Zeit für Entschuldigungen ist vorbei. Ich werde eines Tages ein Buch schreiben, das „Die Zeit für Entschuldigungen ist vorbei“ heisst.

 

Haben Sie ein Rezept, was Sie tun, um Ruhe und Frieden zu finden nach der Hektik des Tages?

Ich finde Frieden nicht, ich bringe Frieden mit. Die Formel um das Leben zu führen, das man führen möchte, lautet nicht, dass man es finden muss, sondern dass man es sich selber schafft und selber die Quelle dafür wird. Verstehen Sie? Nicht es zu finden oder danach zu suchen, sondern es zu erschaffen. Wenn Sie liefern, was Sie suchen, können Sie sich immer sicher sein, dass es da sein wird. Wenn man einen Raum betritt und das mitbringt, was man sucht, wird es immer da sein.

Ich habe einmal einer Pfarrerin zugehört – es gab diese wunderbare Predigerin in San Diego -, die folgendes zu sagen pflegte am Sonntagmorgen in der Kirche: „Wenn ihr heute hierher gekommen seid, um Gott zu finden, dann herzliche Gratulation! Gott ist in dem Augenblick hier angekommen, als ihr zur Türe herein gekommen seid.“ Das war eine wunderbare Art zu sagen, dass man einem Zeitpunkt selbst das hinzufügt, was man sucht.

 

Haben Sie selber immer noch Ängste wie normale Leute?

Ich habe keine Ängste, die das gewöhnliche Leben betreffen. Ich habe keine Angst vor dem Sterben, von einem Auto überfahren oder ausgeraubt zu werden, davor dass etwas Schlimmes passieren könnte oder vor Krankheiten. Vor solchen Dingen fürchte ich mich nicht.

Aber ich habe vor einer Sache Angst. Meine einzige Angst ist, dass ich sterben werde, ohne meine Verhaltensweisen korrigiert zu haben. Dass ich sterbe, ohne derjenige geworden zu sein, von dem ich sage, dass wir es alle sein können. Das ist meine Angst.

 

Herr Walsch, ich danke Ihnen herzlich für dieses Gespräch.

 

 

Interview und Übersetzung: Vivian Scheifele | Publikation: Quang Thai